Liturgie - Der Zweite Blick
Paulus spricht im 1. Korintherbrief davon, dass jede und jeder von uns ein Tempel Gottes ist. Mit diesem Vorzei-chen verstehe ich die Tempelreinigung noch mal ganz anders …
Bibelwort: Johannes 2,13-22 (Evangelium vom Fest Weihetag der Lateranbasilika)
AUSGELEGT!
Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Während die Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas ihre Schilderungen der Tempelreinigung durch Jesus an den Beginn seiner Leidenszeit stellen – wir den Bericht folglich auch in der Fastenzeit hören –, stellt Johannes seinen Bericht an den Beginn des öffentlichen Auftretens Jesu und gibt ihm damit ein besonderes Gewicht. Umso mehr stellt sich die Frage, warum dieses Evangelium für den „Weihetag der Lateranbasilika“ ausgesucht wurde, den die Kirche am 9. November feiert.
Ist es eine gewagte Interpretation, in dieser Wahl eine Kritik an der Verstrickung der Kirche in der Welt zu sehen? Denn die Lateranbasilika ist Teil des Laterans, der seit der Mitte des 2. Jahrhunderts ein kaiserlicher Palast gewesen war.
Wie auch immer: Wenn die Kirche das Evangelium von der Reinigung des Tempels an diesem Gedenktag liest, höre ich daraus die Mahnung: Egal, wie armselig oder wie prächtig eine Kirche ist, entscheidend bleibt, dass sie ein Ort der Gottesbegegnung ist. Das ist der entscheidende Maßstab, den ich auch als Kirchenbesucher – sei es als Tourist oder als Gläubiger oder als beides in einem – nicht vergesse.
Michael Tillmann
Quelle: Bermoser + Höller Verlag AG
Foto: Peter Kane
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